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Vom Kaiserstuhl in ein gerodetes Urwaldtal

Die Überquerung des Atlantiks der Auswandererfamilien auf ihrem Weg in das Siedlungsgebiet

Prof. Dr. Conrad Koch

In unserem diesjährigen Heft möchte ich die näheren Umstände der Schiffsreise nach Venezuela beschreiben, mit denen die Auswandererfamilien 1843 konfrontiert wurden.
Der Entschluss die Heimat zu verlassen, hatte eine bedeutsame Wendung in ihrem Leben zur Folge. Er kann niemand leicht gefallen sein, denn alle mussten von ihren Eltern, Geschwistern, Freunden für immer Abschied nehmen und mit Kind und Kegel in ein ihnen völlig unbekanntes, in der Nähe des Äquators gelegenes Siedlungsgebiet reisen.
Ihr Ziel war ja nicht Nordamerika, wohin schon einige ihrer Landsleute ausgewandert waren, sondern ein sehr junges Land in Südamerika. Dieses hatte 1811 seine Unabhängigkeit erklärt, hatte sich nach wechselvollen Kämpfen 1821 von der spanischen Kolonialherrschaft befreit und gehörte danach zum Staatenbund „Gran Columbia“. Erst im Jahr 1830 wurde Venezuela ein selbständiges Land. Es war also zu dem Zeitpunkt, als die Kaiserstühler durch Benitz von dem definitiven Auswanderungsangebot Codazzis erfuhren, gerade 12 Jahre alt.
Ihr Risiko, bei den damaligen politischen Verhältnissen auf dem südamerikanischen Kontinent mit ihren Familien in Not zu geraten, war groß, und für sie schwer einschätzbar. Nur die Persönlichkeit von Alexander Benitz, der Sohn einer angesehenen Endinger Familie, stellte eine Garantie für sie dar, dass sie sich nicht in Hände von gewissenlosen Spekulanten begeben würden.
Trotz der schon 1841 von Benitz verbreiteter Möglichkeit, mit ihm unter der Leitung des Coronel Codazzi eine Ackerbausiedlung in Venezuela gründen zu können, waren die Kaiserstühler diesem Angebot nicht vorbehaltlos gefolgt. Sie verlangten von ihm, dass er selbst zu näheren Erkundungen in das Siedlungsgebiet reisen und ihnen danach Bericht erstatten sollte.
Nicht nur das Leben unter tropischer Sonne auf einem fernen Kontinent mit unbekannten Tieren, zu denen nicht zuletzt auch zahlreiche Giftschlangenarten zählten, stellten die alleinigen vor Ihnen liegenden Risiken dar. Auch die Seereise in die Karibik war für die Auswanderer nicht ohne Gefahren. Schließlich befand sich die Hochseeschifffahrt nach Südamerika damals noch in einem relativ frühen Stadium.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts gab es unter den Hochseeseglern noch keine regelmäßigen Atlantiküberquerungen. Die Kapitäne legten dann ab, wenn sie genug Ladung an Bord genommen hatten. Erst mit Zunahme des Handelsvolumens zwischen der alten und der neuen Welt begannen die Reedereien im dritten Jahrzehnt für ihre Kunden in Nordamerika Fahrpläne mit festen Abfahrtsterminen auszuarbeiten, so dass die Kaufleute ihren Geschäftspartnern in Übersee relativ feste Liefertermine versprechen konnten.
Die Pünktlichkeit in der Einhaltung der Termine wurde wichtiger als das ökonomische Gebot, die Reise mit einem möglichst voll beladenem Schiff anzutreten. Aus der steigenden Forderung nach Terminsicherheit entwickelte sich die „Paketschiffahrt“, deren Segler zumeist Dreimaster von 500 bis 800 Tonnen waren und zu festgelegten Fahrzeiten ausliefen. Im Jahr 1843, als die Badener sich nach Südamerika einschifften, waren Antwerpen, Le Havre, London und Liverpool hierfür die wichtigsten Auswanderungshäfen. Allein zwischen Liverpool und New York gab es in jenem Jahr 24 Hochseesegler, die als Paketschiffe den Nordatlantik mit Handelsgütern und Passagieren fahrplanmäßig überquerten.

Noch während seiner Erkundungsreise in Venezuela bat Alexander seine Eltern darum, ihm zu helfen und für den Aufbau der Siedlung vor allem wohl beleumundete Bauern und Handwerker anzuwerben. Diese Vorbereitungen waren dringend nötig, denn Codazzi und er hatten vorgesehen, dass die Auswanderer möglichst noch 1842 abreisen sollten. Benitz schrieb ihnen am 10. Juni 1842 aus Caracas:

".....Oberst Codazzi besitzt alles nöthige Geld um die Leute abzuholen, ungefähr 60,000 Franks. Laßt es Euch also sehr angelegen sein 80 gute Familien zu bekommen, die unter den Conditionen mitkommen wollen, welche ich Euch schon früher schrieb. Bauersleut die nützliche Handwerke verstehen besonders Maurer, Zimmerleute, Schlosser, Schreiner, Schmidte, Wagner, einige gute Mühl- und Sägemühlenbauer die Wasserwerke verstehen, wenn sie auch ledig wären es thut nichts, richtet es so ein das immer vier Personen für eine Familie gerechnet werden. 80 Familien müssen daher aus 320 bis 350 Personen bestehen, aber nur Leute die Euch Ehre einlegen, und die den deutschen Credit hier nicht verschwärzen, den von allen ausländern hat man vor den Deutschen den meisten Respekt. ...
Liebe Eltern steht uns also bei, damit wir nicht erst Leute suchen müssen, damit wir etwas ruhig reisen können. ...."

Diesen Brief schickte Alexander mit einem englischen Dampfschiff ab. Es kam etwa drei Wochen vor ihm in Europa an, da er selbst die Rückreise nach Europa auf einem Segelschiff antrat. In Paris ließ er für die anzuwerbenden Auswanderer eine Broschüre von 30 Seiten mit dem ansprechenden Titel: „Über die neuen Ackerbau = Colonien in Venezuela“ drucken, in der versprochen wurde, dass jede Familie gleich nach der Ankunft neben einem urbar gemachten Stück Land eine Kuh mit Kalb, einen Esel, ein Schwein und mehrere Hühner erhalten würde. Dies sollte ihnen zinslos gewährt und in 5 Jahren durch Arbeit oder Erzeugnisse bezahlt werden.

Die Planung Codazzis sah vor:

".....Einmal an ihrem Bestimmungsort angekommen, nimmt jede Familie von ihrer neuen Wohnung , von den Hausthieren , den Ackergeräthen und den ihr bestimmten Vorräthen Besitz. Eine Ruhezeit von 10 bis 12 Tagen und freier Unterhalt während dieser Zeit genügen, um sich von den der Reise zu erholen. Unterdessen nimmt man die Theilung und Besitzanweisung der zur Kultur vorbereiteten Grundstücke vor, worauf noch einer jeden Familie ein Monat freie Arbeit eingeräumt wird, um ihr Eigenthum einzuzäunen und überhaupt die ihr gefälligen Einrichtungen zu machen. ......."

Daraufhin entschlossen sich im Herbst 1842 kurzfristig mehr und mehr Familienväter aus Endingen und den umliegenden Orten, sich an dem ihnen von Benitz vorgelegten Projekt zu beteiligen. Im günstigen Klima der Küstenkordillere Venezuelas wollten sie mit ihm eine Ackerbausiedlung gründen. Aber trotz aller Bemühungen von Alexander und seiner Eltern konnte wegen des sehr kurzfristig festgelegten Abreisetermins die von Codazzi inzwischen auf erhöhte Anzahl von etwa 400 Passagieren nur annähernd erreicht werden.
Codazzi verschob den Ausreisetermin auf den Januar 1843, verlangte aber von Benitz, dass er mit wenigstens 435 Personen in Le Havre eintreffen sollte, damit sich die Überfahrtskosten auf möglichst viele Passagiere verteilen ließen.

In seinen letzten Briefen vor der Abreise beschwor Codazzi mehrfach Alexander, mit möglichst vielen Auswanderern in Le Havre einzutreffen:

Paris, den 20. November 1842 Lieber Freund,
... ich habe Ihren Brief vom 17. November bekommen und gleich heute den fertigen Vertrag. Sie sollten die Personen auf 435 ergänzen, die an Bord gehen sollen, sonst hätten wir einen großen Verlust. Da das Schiff 435 Personen an Bord nehmen kann, wird es nicht mehr kosten ... wenn wir weniger Leute nehmen, wird es viel mehr kosten. In unserem Interesse und dem der Kolonie bringen wir 435 Personen
.
... wir sollten alle Angebote annehmen um auf 435 oder 425 zu kommen ...
... schreiben Sie mir, wenn wir mit 425 oder 435 Personen zählen können
.... denn wenn die Zahl kleiner wäre, müssten wir an Bord mehr zahlen. Ich zweifele nicht daran, dass Sie die nötige Anzahl erreichen, wenn alle Personen in Bewegung gesetzt werden, die mithelfen.
Immer Ihr Freund
Codazzi

Benitz setzte sich nach Kräften für die Forderungen Codazzis ein, aber trotz all seiner Bemühungen konnte die von Codazzi geforderte Anzahl von Emigranten nicht ganz erreicht werden; was aber, wie sich noch herausstellen wird, für die Überfahrtsbedingungen der Auswanderer als ein wahres Glück bezeichnet werden kann.
In der Vorweihnachtszeit 1842 hatten etwa 60 Familien und auch einige Witwer und allein erziehende Mütter mit insgesamt 179 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, sowie auch 65 Ledige den Siedlervertrag unterschrieben. Am 18. Dezember zog die Gruppe der Auswandererfamilien durch das westliche Stadttor Endingens zur Reise nach Le Havre.
Die Durchquerung Frankreichs war relativ unproblematisch, denn Codazzi hatte durch Verhandlungen mit den zuständigen französischen Behörden für einen reibungslosen Ablauf vorgesorgt. So mussten z.B. die Familien entgegen den sonst geltenden Bestimmungen bei der Einreise nach Frankreich keine Bargeldsumme vorweisen. Durch diese Vorsichtsmaßnahme sollte bewirkt werden, dass nur die Familien, die in der Lage sein würden ihre Überfahrt zu bezahlen, eine Einreiseerlaubnis erhielten. Das war nötig, denn in den Auswanderungshäfen Frankreichs stellten mittellose Auswanderergruppen ein soziales Problem dar. Wegen des fehlenden Geldes hatten sie weder die Chance, eine Überfahrt zu bekommen, noch verfügten sie über ein Einkommen zum Unterhalt ihrer Familien. Der Chartervertrag, den Codazzi mit der Reederei M. Charles Laporte zum Jahresende 1842 abgeschlossen hatte, entsprach generell den damals üblichen Vereinbarungen.

Aber bei Überprüfung der Platzverhältnisse an Bord ist man empört und bereit, gegen Codazzi schwere Vorwürfe zu erheben. So verständlich es auch sein mag, darauf bedacht zu sein, auf dem gecharterten Schiff eine möglichst hohe Anzahl von Familien zu befördern, so durfte er Leben und Gesundheit seiner Auswanderer aus ökonomischen Gründen nicht derart gefährden. Das von ihm gecharterte Schiff war effektiv zu klein für die von ihm festgelegte Anzahl von 435 Passagieren. Als erfahrener Hochseereisender musste ihm bewusst gewesen sein, dass die bewohnbare Fläche des einzigen Zwischendecks der "Clemence" keinesfalls für so viele Familien ausreichend sein konnte. Auch ist ihm ja wohl bekannt gewesen, dass sich unter seinen Passagieren mehrere hochschwangere Frauen befanden. Somit war vor der Abreise abzusehen, dass unter den verheerenden hygienischen Bedingungen die zusammengepferchten Familien eine mehrmonatige Seereise nicht ohne Krankheiten, Seuchen und Sterbefälle überstehen würden.
Zur Entlastung Codazzis muss man aber auch bedenken, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Unterbringung und die Verpflegung bei Atlantiküberquerungen auf den Hochseeseglern einen katastrophalen Tiefpunkt erreicht hatten. Diese Zustände führten dazu, dass im Jahr 1848 in England zur Verabschiedung eines Passagierschiffsgesetzes, das pro Person fast 2 cbm Raum verlangte, was bei einer Deckshöhe von 180 cm und einer Länge von 2 m bei einer Breite von 55 cm entsprach. Diese Minimalnorm wurde von den Kapitänen aber zumeist nicht eingehalten. Die Lage für die Auswanderer besserte sich erst mit der beginnenden Dampfschifffahrt.
Zur Zeit, als die Kaiserstühler ihre Seereise antraten, waren in den dunklen, schlecht belüfteten Zwischendecks von 165 bis 185 cm Höhe oftmals drei Schlafkojen übereinander angebracht, die nur 45 cm breit waren und ein Länge von 180 cm hatten. Im Zwischendeck waren die eingepferchten Passagiere faktisch eingeschlossen, denn bei stürmischem Wetter, das Wochen andauern konnte, wurden die Luken geschlossen. Toiletten waren äußerst primitiv, manchmal bestanden sie auch nur aus Eimern. Wasch- und Kochplätze konnten nur bei gutem Wetter auf dem Oberdeck benutzt werden. Unterernährung und Krankheiten waren die Regel. An häufig auftretenden Seuchen fürchtete man auf den Auswandererschiffen besonders die Cholera, Typhus und Pocken. Die durchschnittliche Todesrate unter den Passagiere betrug bei den Hochseereisen in der Mitte des 19. Jahrhunderts 10 bis 15 %. Ein Auswanderungsschiff von 1000 to beförderte normalerweise eine Anzahl von 800 Passagieren.
Im Vergleich dazu stellen wir fest, dass Codazzi für die Kaiserstühler bei ihrer Reise nach Südamerika noch wesentlich weniger Platz eingeplant hatte, nämlich für 435 Personen ein Schiff von nur 352 to (ehemalige Vermessungstonnen). Bei der obigen knapp bemessenen Normalauslastung hätten es jedoch nur etwa 282 Passagiere sein dürfen.
Die „Clemence“ war zwar ein relativ neues, aber zugleich auch ein recht kleines Schiff. Vom Vorder- bis zum Achtersteven betrug ihre Länge nur 25,23 m und ihre größte Breite 8,40 m. Ihr Zwischendeck war 1,85 m hoch. Auf dieser von den drei Masten und den Niedergängen unterbrochenen Fläche von ca. 160 m⊃2; sollten 435 Emigranten neben Codazzi und der Mannschaft untergebracht werden! - Weil aber Benitz die geforderte Anzahl nicht ganz erfüllen konnte, ist er in Le Havre mit "nur" 390 Kaiserstühlern an Bord gegangen. Währenddessen Codazzi sich noch zusätzlich um einige französische Emigranten bemühte.
Alle litten sehr unter der Enge an Bord, als sie zunächst schweren Sturm und hohen Seegang, danach zwar bei ruhiger See, aber die ungewohnte tropische Hitze der Karibik aushalten mussten, ehe sie nach 61 Tagen in der Bucht Choronie an Land gehen konnten. Die Schilderungen der Seereise sind in zwei Briefen von Alexander erhalten geblieben:
„Gestern (4.3.1843) sind wir hier angekommen nach einer Reise von 45 Tagen, vielen Unannehmlichkeiten und harten Strapazen. In kurzen will ich Euch eine kleine Reisebeschreibung machen von unserer Reise. Wir sind von Havre den 19. Januar vormittags abgereist mit dem schönstenwetter was zu sehen war behielten es aber blos 3 Tage wo wir in dieser Zeit nicht einen seekranken hatten.
Den vierten Tag wurde es etwas stürmischer ... Wir sind hier angekommen aber ohne von dem Schiff aussteigen zu können, weil uns die Quarantäne aufgebürdet wurde. Während unserer Reise bekamen wir die Durchschlechten (Ruhrpocken) auf dem Schiff welche mehrere in den schlechten Wirthshäusern aufgegabelt hatten. Wir hatten außerordentlich viele Kranke dieser schmählichen Krankheit. Gegen 16 Tode verschlang diese böse Übel oder durch folge dessen. Lukas nössler von Wyhl, Hugo schwer und Damian Weimann brachten uns diesen Krankheitszufall. Beide ersteren sind wieder gut hergestellt. Damian ist noch etwas unpäßlich, die ganze Reise war er krank mit vielen Leiden.

Unter den obengenannten Todten befinden sich:

1.- 1 kleines Kind von 6 Monaten vom Blank;
2.- des Meyers Kind von Kennzingen von 14 Monaten,
3.- Viteli Morand von Wyhl,
4.- Josef Velti von Reichenbach,
5.- Genofefa Burtholt oder dem Moritz Hempel seine Frau,
6.- ein Sohn des Kaspar Albert, der Michael Albert.
7.- Das kleinste Kind vom Vollweider.
8.- Das kleinste Kind vom Jakob Oettle von Opfingen.
9.- Ein neugeborenes Kind von Josef Retti.
10.- Ein Mädchen Damian die Sophia.
11.- Katharina Fehr von Münchweier von 21 Jahren.
12.- Dem Josef Vommund von Herbolzheim seine Frau.
13.- Ein kleines Mädchen von Martin Roth.
14.- Ein von neun Monat von Georg Schwervang von Münchweyer.
15.- ein Kind von Richarda Gross von Wagenstadt von 12 Jahren und
16.- ein Matros.

nicht nur die Seekrankheit allein die bereits das ganze Schiffspersonal anpackte hatten wir 50 Kranke der Durchschlechten könnt Euch denken wie es mir zu Muth war jeden Tag musste ich mit dem Doktor in dem ganzen Schiff herum und ihm die Krankheiten auf Deutsch erklären obschon er etwas Deutsch versteht. in Zeit von 14 Tagen auf dem Meer wurde ich selbst durch die Durchschlechten Krank und mußte das Bett gegen 14 Tage hüten, ich war anfangs der Krankheit zimlich übel aber jetzt doch so gesund wie zu vor ohne das mir flecken im Gesicht bemerkt wo zimlich mit Pocken bedeckt war. am Leibe hatte ich etwa 60 Pocken meine anderen Geschwister sind alle gesund und hatten anfangs nur etwas Seekrankheit. Diese Reise ist beschwerlich für mich und kostet unmgeheure Anstrengung. Gott will ich danken wenn Diese Mission vollbracht ist und die Leute gehörig auf ihrem Bestimmungsort sich befinden. Niemand kann sich einen Begriff machen so vielen Leuten Gehör zu geben und alle zu befridigen, besonders dann wen sich noch Übestifter und nie zufridenstellende Leute befinden die nur hinterwärts reden. Der Oberst hatte ebenfalls vielen Kummer, die Zahl unserer Kranken ist jetzt unbedeutend und haben blos noch vier worunter nur ein neugeborenes Kind die Pocken hatte was und die Quarantäne verursachte. Wir werden morgen nach Porto Maya fahren um dort auszusteigen um unseren Gesundheitszustand zu verbessern.
Die Zeit ist uns von der Sanitäts Comission aufgegeben als dann wir unsere Reise nach nach Choronie machen werden um die Reise nach der Colonie zu machen. Wo man uns allgemein mit Schmerz erwartet. Aus mehreren Briefen des Obersten ersah ich das alles gut geht in der Colonie. Es ist also zu Wünschen Maya bald zu verlassen zu können ich denke wir werden uns blos einige Tage dort aufhalten.
Die Verhandlungen, ob sie in Venezuela anlanden durften, dauerten in La Guaira acht Tage. Benitz schreibt hierüber: Die Quarantäne, "..die zuerst unbestimmt war und wir uns 8 Tage vor La Guaira aufhalten mußten, ohne zu wissen wenn wir ausladen könnten, es waren Intriguen vorhanden in der Sanitascommission die wahrscheinlich bestochen war, das Ausschiffen zu verhindern.
Herr Ramon Diaz wendete sich alsdann an die Regierung und legte ihr diese Ungerechtigkeit an Tag worauf wir einen Befehl erhielten, in Sant Maya unsere Quarantäne auf dem Land
zu vollenden welche von der Commission auf 8 weitere Tage verschoben wurde, wir fühlten und glücklich das Land wieder einmal zu betreten. Sonntag den 12 März wurde unser Anker gehoben und die Reise fest an der Küste her fortgesetzt bis nach Maya, allein der Capitain wollte in diesem Hafen nicht Landen, wir erweiterten unsere Reise noch einige Stunden und des Abend am gleichen Tage erreichten wir den Port Choroni, wo uns die Sanitascommission von dort gleich entgegenkam, alles mögliche wurde uns versprochen allein zwei Tage mussten wir warten um das Resultat der Pocken zu erfahren. endlich kam die Commission noch einmal und wollte uns gar den eingang verweigern worauf Oberst aber gänzlich protestierte indem unsere ... nach Maya war und nicht nach Choroni. Der Oberst brachte doch so weit dass wir etwas weiter im Haven uns aufhalten könnten, um weiteren Bericht der Regierung zu erhalten. ungemein wurden wir herumgetrieben und waren 61 Tage auf dem Schiff bis wir die Erlaubnis erhielten unsere Quarantäne auf dem Boden von Venezuela gar zuvollenden in einem kleinen Gebüsch an der Küste wo wir zelten (und einem größerem Cocosgarten der sehr schön war) aufgeschlagen und noch 7 folgende Tage dort aufhielten ohne dass wir in Berührung mit irgend einem Einwohner kamen, den ersten Tag kam die Commission und betrachtete jeden einzelnen ob noch Gefahr vorhanden wäre wegen den Pocken, es war so arg. ...
Unser Aufenthalt war zwar äusserst angenehm in diesem Garten so wir gutes Wasser hatten und jeden Tag uns frisches Fleisch an eine Stelle gelegt wurde als wären alle verpestet gewesen. Viele Einwohner übertraten zwar das Gesetz und als sie sahen wie wir uns befanden hatten Sie sehr viele bedauern mit uns. Alles war jetzt wieder fröhlich den Boden nach so ungeheuren Strapazen betreten zu haben. zwei Tage nach der letzten Visit machten wir uns auf den Weg, den ersten Tag kamen wir zwar nicht weit nur drei Stunden den 140 Esel waren für das Gepäck bestimmt bis jeder mal geladen dauerte es ziemlich lange. Den zweiten Tag nach Marakai wo wir einen Tag ausruhten und die Colonisten der Behörde von dort vorgestellt werden. mußten. alsdann wir dem General Paez eine Visite abstatten, er hatte eine große Freude die Colonisten zu sehen nach dem alle in seinem Hofe aufgestellt waren traten mehrere hervor und sangen deutsche Lieder die ihn sehr freuten, zum Schluß ersuchte mich den Colonisten die Danksagung zu machen und ließ sogleich ein Ganzer Zuber voll Punsch machen um die Colonisten zu erfrischen. und Abends kam er zu uns ins Lager und beschenkte die Colonisten mit einem prächtigen fetten Ochsen. den 2ten Tag war unsere Reise bis nach Casmaro. Der General ließ mehr als 50 Personen klein und groß auf seinen Wagen bis nach La Victoria fahren. ..."

In dem nächsten noch erhaltenen Brief, den Alexander an seine Eltern geschrieben hatte, berichtet er von der Ankunft der Auswanderer am 8. April 1843 in dem von der Brandrodung geschwärzten Tal des Rio Tuyi, in dem die Kolonie Tovar entstehen sollte:
" ....Den 5ten Tag erreichten wir La Victoria ....... wieder ausgeruht, und den 7ten bloß Stunden bis an den Fuss der Gebirge der Colonie, endlich nach vielen Beschwerdten erreichten wir die Colonie den 8. April. Die Reise zu Lande war beschwerlich aber noch mehr beschwerten sich die Colonisten nach Ankunft in der colonie in dieser Einöde, da sie sozusagen binnen 8 Tagen bereits ein Paradies bereisten und sich in einem Walde übereinmal sahen, wo alles dürr war und die Stumpen und Hölzer noch ansahen. Alle waren wie niedergeschlagen den sie glaubten die Colonie sollte dem schon seit 200 Jahren angepflanzten Felde ähnlich sein, nur nach und nach mußte man die Leute überzeugen, das dies alles nichts zu bedeuten habe und die Sachen dennoch wachsen aber leider bei solchen Gelegenheiten fehlen nie böse Mäuler die die anderen Leute noch aufhetzten die colonie zu verlassen und wen sie glaubten man habe sie verkauft, ich möchte nur wissen wer etwas auf sie geboten haben würde, denn ich muß offen gestehen, das badische Land darf sich nicht kränken, diese Söhnchen verloren zu haben. Der eine sagt es macht nichts, der andere das Klima wäre ungesund, der dritte das Wasser seye nichts. Dieses kommt daher, weil wir Ende des Sommers anlangten und ihnen jetzt alles dürr vorkam untem im Thal sahen ...
(unlesbar) wegen Wässerung , da war alles grün, das sie aber nicht beobachteten. Die Mittel waren auch verschieden von denen unten, wo ... Freundschaft überall fanden den die Europäer haben große Neigung für sie gezeigt für viele Sorgen, überall wurden die Leute mit Früchten überhäuft, die man ihnen zwar aufs strengste verbot, dessen ungeachtet hatten sich viele mit den Früchten verdorben, die für Europäer höchst schädlich sind bevor sie das Clima gewohnt sind.
Bereits 6 Wochen konnte man niemand zum Arbeiten bringen alles war ihnen gleichgültig. Gleich zu Anfang wurde zur Wahl eines Bürgermeisters geschritten, sowie 6 Rathsglieder. Vollweider wurde zum Bürgermeister ernannt. der sein Amt sehr gut vollzog, aber von den übrigen Rathsmitgliedern verfolgt wurde, die gerne Bürgermeister gewesen wären. Vollweider der ein Ehremann ist, wollte aber länger sich mit diesem Amt beschäftigen und der Oberst sah sich genöthigt
das ganze Kräkwinklerwesen über ein Haufen zu werfen. Der jetzt nach den Gesetzen die Stelle als Friedensrichter verteilt, welche ihm von der Behörde von La Victoria zugestellt wurde. Strengere Maßregeln wurden getroffen und jeden zum Arbeiten veranlasst, nach und nach gab sich die Sache und man Sääte. Doch wurde ich furchtbar mißhandelt bis sie mit ihren Augen eingesehen hatten das alles prächtig gedeiht, manchmal stand es auf dem Punkte, das der Oberst das ganze Wesen aufheben wollte und alles zu .....
mit Schmerzen warte ich auf eine Ernte um die Leute völlig zu überzeugen wie ungerecht sie Anfangs waren, viele stellten sich in meine Lage und trösteten mich über das Verfahren der Colonisten. Jetzt kommt alles wieder zu mir zu springen wen sie was bedürfen und viele haben schon gesagt sie wünschen sich nicht wieder in ihre Heimat zurück und befinden sich recht glücklich. Die Deutschen alle wenn sie nach Amerika kommen meinen in der Regel sie dürfen die Goldklumpen nur von den Bäumen zupfen. Was ich ihnen doch gewiß in Deutschland nicht gesagt habe. wahr ist es das die Colonie nicht schön aussieht, es ist aber auch nicht möglich und jeder der etwas raison hat, muß sagen, daß während so kurzer Zeit sehr viel gemacht wurde. ..."
Von der Überfahrt und vom Beginn des Lebens in der Kolonie können wir in einem Brief, den Johannes Keller im September 1843 an seine Geschwister in Wasenweiler schrieb, eine recht positive Schilderung lesen:
" .....unsere Reise von Strasburg bis nach Haber ist glücklich vorbey gegangen
wo wir auf das Schiff kamen
haben wir in 2 Tag die Seh Krankheit bekommen doch etliche Tage keines dem anderen etwas thun konnte, aber Gott sey Dank zeit 8 Tagen seint wir alle wieder gesund gewesen auf dem Mer ist es nicht gefährlich aber beschwerlich wen man ein so großes Wasser anschauen muss aber Gott sey Dank wir sind glücklich über das Mer gefahren es ist uns eine Krankheit auf dem Schiff begegnet nemlich die Bladern aber Gott sey Dank von Wasenweiler hat es keine anbelangt wir sind 43 Tage auf dem Mer gefahren und haben nur zwei Mahl Stürme gehabt wo wir grosse Angst hatten aber man braucht keine Ängsten haben durch den Sturm kann kein Schiff undergehen ...
(unlesbar) ... der Doktor und der Kapiten mußten die Krankheit angeben hernach haben wir 25 Tage in Garrenda (Quarantäne) aushalten müssen wo die 25 Tage vorbey wahren kam die Fisit wieder Dan haben wir keine kranke mer gehabt dan haben wir noch 9 Stund nach Scherone (Choroni) fahren müssen dort seint wir an das Land geschifft worden den 19. Merz haben wir das Land das erste mal wieder betreten wo wir uns herzlich freuten ...
..... Kinder welche nicht laufen können
seint auf die Esel geladen worden bis in die Kollony...Oberst und Herr Benitz haben für uns gesorgt auf dem Schiffe und auf dem Lande wie ein Vatter für seine Kinder wir haben gehörige Kost gehabt...(unlesbar) ... wo wir in die Kollony kamen trafen wir abgeholztes Feld an dan hat ein jeder ein Stück bekommen zum anpflanzen da haben wir angepflanzt Rogen WeitzenGersten Welschkorn Bohnen Erbsen Graut Kartoflen teutsche und spanische...Mir wünschten ihr hetten zu Leben wie mir.
Unterzeichnet von Johannes Keller und Therese Braunbart

Es hat mich sehr interessiert, was die Einwanderer des Jahres 1843 ihren Nachkommen von ihrer Ankunft im Tal von Tovar berichteten, und was die Enkel davon noch im Gedächtnis behalten haben.
Im Jahr 1964 hatte ich die Möglichkeit, mich mit dem siebenundsiebzigjährigen Sippenältesten Benjamin Gerig über die Ankunft seiner Vorfahren in Venezuela zu unterhalten. Er erzählte mir, was er von den Gesprächen mit seinem Großvater Karl Gerig noch wusste. Dieser hatte im Alter von 15 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern an der Atlantiküberquerung und an dem Marsch von der Küste zu dem hochgelegenem Tal teilgenommen, in dem die Siedlung entstehen sollte. Als Benjamin 28 Jahre alt war, ist sein Großvater im Alter von 88 Jahren in Tovar gestorben, der ihm vielmals von dem Anfang in der Kolonie und von dem mühsamen Leben in der Einsamkeit erzählt hatte. -Mit Einverständnis Benjamins durfte ich das nachstehende Gespräch aufzeichnen, das in lebhafter Weise die Inhalte der Briefe von Alexander Benitz bestätigt:

"Da ist ein puerto umeinand, Choroni, da sind sie ausgeladen, von dort sind sie nun her. In Maracai, da ist ein Präsident gewesen, der General Paez, der hat sich ihrer angenommen und hat ihnen noch ein gutes Essen gegeben, aber sie haben ihn nicht verstanden und haben nicht schwatzen können. Von dort sind sie daher gekommen, bis daher mit einem Bündel auf dem Kopf mit dem was sie gebracht haben. Die haben kein Stückle Vieh gehabt um es herzuführen. Wo die Weiber dort oben angekommen sind, wo selbiges Kreuz ist (auf die Stelle am Dorfeingang zeigend, an der sich heute ein Holzkreuz befindet) wo sie das Loch gesehen hätten in dem Wald, da haben sie angefangen zu heulen, so traurig wie sie da gewesen sind, dass sie in diesem Walde müssen hocken. Da unten wo die Kapelle ist, da hat der Codazzi und der Alexander Benitz und die so ein Ranchele gemacht, so ein Häuschen mit Palmenlaub, und da hat er sie dreingesperrt. Da haben sie dann schaffen müssen gerad wie sclavos" (Sklaven).
Die Auswanderer aus Baden haben auf ihrer Reise, die insgesamt 122 Tage dauerte (61 an Bord und 61 an Land), eingepfercht im dunklen Zwischendeck des für ihre Anzahl viel zu kleinen Schiffes, die Pocken mit 15 Sterbefällen, in Stürmen Todesängste, vier Geburten und nach der Landung den kräftezehrenden Aufstieg in das hochgelegene Tal der Kolonie erleben müssen.Sie sind trotzdem nicht verzweifelt, sondern haben in sechs Generationen mit Gottvertrauen, Genügsamkeit und Fleiß auf dem gerodeten Urwaldboden ihre Colonia Tovar geschaffen, wie wir sie heute kennen.